Obwohl der Begriff "Stress" für uns alle eine ganz unterschiedliche Bedeutung hat und mit sehr unterschiedlichen Problemen verbunden sein kann (emotionale Probleme, geistige oder körperliche Anstrengung, Schmerz, Angst, usw.), reagieren wir doch alle mit einem stereotypen Muster biochemischer, funktioneller und struktureller körperlicher Veränderungen auf Stress.
Der Berliner Psychologe Ralf Schwarzer beschreibt diese Reaktion in drei Phasen, die als Adaptationssyndrom bezeichnet werden:
1. Alarmreaktion
Die Alarmreaktion aktiviert unser sympathisches Nervensystem. Es folgt eine erhöhte Produktion und Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin aus dem Nebennierenmark. Der erhöhte Adrenalinspiegel im Blut beschleunigt die Herzfrequenz, fördert eine stärkere Durchblutung der Skelettmuskulatur, steigert die Schweißsekretion, macht den Mund trocken, erweitert die Luftröhre, lässt den Blutzucker ansteigen und die Blutgerinnung beschleunigen. Die Ausschüttung von Noradrenalin erhöht den Blutdruck.
In diesem Zusammenhang interessant ist, das schon allein unsere Vorstellung von Belastungssituationen eine solche Alarmreaktion in uns auslösen kann.
2. Phase des Widerstands und der Anpassung
Diese Phase kennzeichnet eine dauernde Kampfbereitschaft. Es werden zusätzlich stoffwechsel anregende Hormone, wie Cortisol in den Neben nieren gebildet. Das in der ersten Reaktion sofort bereitgestellte Adrenalin ist nur für einen kurzen Zeitraum wirksam. Cortisol hingegen hält das Erregungsniveau dauerhaft hoch. Ein erhöhter Cortisolspiegel bedeutet aber auch einen Abbau des Lymph- und Thymusgewebes und eine Schwächung des Immunsystems und der Infektionsabwehr.
In dieser Phase des Stresses treten vermehrt funktionelle Störungen sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene auf.
Z.B. Kopf- oder Rückenschmerzen, Herzbeschwerden, Verdauungsstörungen, Muskelverspannungen oder Atembeschwerden. Psychische Probleme entstehen durch Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit, Ermüdung und Stimmungslabilität.
Periode der Erschöpfung
In der Periode der Erschöpfung sinkt der Widerstand unseres Organismus gegen die Dauerbelastung.
Es kommt zur Herausbildung organischer Krankheiten = Somatisierung
D.h. Krankheitsbilder können aus dem Zusammentreffen von Stress mit anderen, individuellen Risikofaktoren entstehen.
Die anhaltende Einwirkung des Dauerstresses, an den sich unser Organismus zwar angepasst hat, erschöpft schließlich seine Energie.
Im Alltag leben wir, die durch Stress mobilisierten Kräfte und bereitgestellte Energie nicht aus und verstoffwechseln die Stresshormone nicht.
Der Kampf-Flucht-Reflex, der sich in erster Linie entwickelt hatte, damit wir konkreten physischen Bedrohungen begegnen konnten, richtet sich nun mehr gegen uns selbst.
Ein weitere wichtiger Faktor besteht darin, dass in unserer heutigen Zeit die Überlebensreaktion vor allem durch symbolische Bedrohungen ausgelöst wird, wie z.B. Konflikt mit Arbeitskollegen, Kunden oder dem Chef, finanzielle Probleme, Verkehrsstau und Enge der Städte oder Arbeitslosigkeit, um nur einige zu nennen.
Diese Art von "Bedrohungen" lassen sich wiederum nicht durch einen Adrenalinschub mit angespannten Muskeln, schnellem Puls und verstärkter Schweißabsonderung lösen.
Einige unsrer biologischen Reaktionen scheinen somit inzwischen überholt oder den heutigen Verhältnissen nicht mehr angemessen.
Fragt sich, ob wir mit einem Gehirn und einer Physiologie ausgestattet sind, die sich noch nicht an heutige Bedingungen angepasst haben oder ob die heutigen Lebensbedingungen hinterfragt werden sollten.